Copycats bedienen sich im Web an fremden Texten und geben sie als ihre eigenen aus. Ich bin mit Copycats zum ersten Mal bei Instagram in Berührung gekommen – und schön war’s nicht.
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Das Web ist ein toller Ort. Du findest alles, und zwar sofort. Mein Sohn ist 2014 geboren. Wenn er eine Frage hat (und er hat viele) und ich ihm die nicht beantworten kann (und das kann ich oft nicht), sagt er völlig selbstverständlich: „Frag doch mal Google.“ Zu mir, die ich als Kind noch dicke haptische Wälzer mit dem Titel „Das große Kinderlexikon“ im Regal stehen hatte.
Das Web ist aber auch – gerade WEIL man dort alles findet – ein Ort des Gerangels. Millionen von Dienstleistern machen ihren Umsatz davon abhängig, ob sie bei Google gefunden werden oder nicht. Genauso ist es bei Instagram: Wer dort Kunden auf sich aufmerksam machen will, muss guten Content erstellen.
Also geben Online-Experten Tipps zum Online-Business-Erstellen. Fitnesscoaches geben Tipps zur Fitness im Homeoffice. Und Texter geben Tipps zum Texten. Alle geben Tipps. Das nennt sich Mehrwert und zieht Kunden an wie das Licht die Motten. Die sehen dann nämlich, dass du offensichtlich weißt, wovon du redest, schenken dir ihr Vertrauen und buchen dich für ihr nächstes Projekt.
Als ich mich 2017 selbständig machte, zog ich meine eigene Website hoch und meldete mich bei Instagram an.
Und natürlich tat ich, was alle tun: Ich guckte, wie die Konkurrenz schrieb. Ich schaute mir die Websites anderer Texter an und wurde ganz klein, wenn ich sah, dass die mit ihren Inhalten tausende Follower bei Instagram anzogen.
Das schüchtert erstmal ordentlich ein. Aber nicht nur das: Ich merkte, wie das, was ich von anderen im Web las, meine eigenen Texte überlagerte. Ich fing an, in ähnlichen Kategorien und Schranken zu denken. Wenn ich zum Beispiel einen Blogbeitrag über die richtige Strukturierung eines Textes las, dachte ich, stimmt ja, die hat voll Recht, sowas muss ich vielleicht auch mal machen.
Eigentlich habe ich als Angestellte in Werbeagenturen gelernt, so zu texten, dass du die Erwartungshaltung des Lesers brichst und dabei dann Texte herauskommen, die hängenbleiben. Aber das ist bei Instagram nicht gefragt. Dort zählt nur, was du bereit bist zu geben.
Also begann ich auch, Mehrwert zu posten. „Brauchst du einen USP?“, „Was ist ein Call to Action?“ und solche Sachen.
Ich warf mein Wissen wie Konfetti herum, mein Account wuchs und erste Kundenanfragen trudelten ein.
Gleichzeitig folgte ich anderen Accounts, die inhaltlich eine Schnittmenge zum Texten hatten und die viel größer waren als ich selbst, und ich fragte mich oft, wie die das schafften. Je mehr Zeit ich auf Instagram verbrachte, desto öfter sah ich Dienstleister, die ich klasse fand, und andere, die den Post Nummer 163 zum Thema „Wie schreibt man einen Blog?“ veröffentlichten.
Aber irgendwann entspannte ich mich wieder und besann mich auf meine eigenen Kenntnisse. Ich überlegte mir Formate und suchte Themen, die ich bei anderen noch nicht gesehen hatte. Dazu bastelte ich oft in Canva an verschiedenen Slides und steckte mein ganzes Herzblut in einen Post (und das sagt jemand, der den Ausdruck „Herzblut“ ganz schlimm findet).
Damit fuhr ich gut.
Bis mir eines Tages ein Post von einer anderen Texterin vorgeschlagen wurde, dessen Wortlaut mir sehr vertraut vorkam.
Weil’s, haha, mein eigener war. Du hättest mal mein Gesicht in dem Moment sehen sollen.
Für dieses Verhalten hat sich online ein Begriff etabliert, und zwar Copycat.
Eine Copycat kopiert den Text von anderen Dienstleistern und gibt ihn auf ihrer Website oder bei Instagram als ihren eigenen aus.
Texte zu kopieren, ob bei Instagram oder anderswo, ist nicht legal. Hier greift das Urheberrecht. Sie 1:1 zu übernehmen, kann zu Klage und Schadensersatzansprüchen führen. Selbst wenn die Worte nur ein bisschen umgestellt werden, ist das immer noch nicht ok.
Die Dame hatte meinen Text (es ging um das Thema Floskeln) zwar ein bisschen umgeschrieben, aber nicht genug, als dass ich meine eigene Handschrift nicht erkannt hätte. In den Kommentaren erhielt sie Komplimente von ihren Followern, die sich für ihren hilfreichen Post bedankten. Einige von ihnen erkannte ich sogar als meine eigenen Follower.
Nun sagen die Leute ja immer dasselbe, wenn es um Copycats geht: Dass das eigentlich ein Grund zur Freude ist. Denn wenn deine Inhalte kopiert werden, bedeutet das, dass du gut bist. So gut, dass andere deinen heißen Scheiß für kopierenswert halten. Einfach geschmeichelt fühlen, drüber lachen und weitergehen.
Wie fühlte ich mich? Ich würde sagen, ja, ich war geschmeichelt.
Zu etwas 30 Prozent. Die anderen 70 Prozent waren Fassungslosigkeit über so viel Dreistigkeit.
Ich tat dann als erstes etwas sehr Unüberlegtes. Und zwar schrieb ich die Copycat an, dass ich sie jetzt blockieren würde, dann könne sie in Zukunft bei anderen Leuten klauen.
Blöd, ich weiß. Aber wie gesagt, ich war sauer.
Ein paar Stunden später hatte ich mich dann beruhigt und wurde etwas sachlicher. Ich schrieb sie nochmal an und sagte ihr, dass sie den Post löschen solle, sonst würde ich meinen Anwalt kontaktieren. Ich habe überhaupt keinen Anwalt. Aber tatsächlich löschte sie den Post sofort. Geantwortet oder sich entschuldigt hat sie nie.
Das war das erste von insgesamt sechs Malen, dass ich kopiert wurde.
Immer bei Texterinnen. Und immer abgewandelt, doch erkennbar meins. Ich habe alle angeschrieben und verlangt, dass sie die betreffenden Posts löschen.
Die zweite meinte, upsi, sie könne sich gar nicht richtig erinnern, dass sie das von mir abgeschrieben habe.
Nummer 3 und 4 haben sich entschuldigt.
Copycat Nummer 5 ergriff die Flucht nach vorn und bat um ein Textcoaching.
Nummer 6 behauptete, das sei nicht sie, sondern ihre Assistentin gewesen.
Alle haben die kopierten Texte bei Instagram gelöscht.
Was ich daraus gelernt habe:
Mein bester Kopierschutz ist, meine Posts so persönlich zu machen, dass sie länger hängenbleiben als „normale“ Posts. Das merke ich an dem Feedback, das ich bekomme. Natürlich kann man einfach einen Post erstellen, indem man erklärt, dass man Sätze möglichst kurz schreiben soll. Aber so einen Post gibt es eben auch schon hundertmal auf anderen Texter-Accounts.
Ich habe also das Learning („kurze Sätze“) mit einer persönlichen Geschichte verbunden, wie mir mal ein Brief vom Gesundheitsamt mit einem einzigen Bandwurmsatz reingeflattert kam – sowas ist auch viel lustiger zu lesen und außerdem merken sich die Leute sowas eher.
Auf der Website einer Kanzlei für Urheberrecht habe ich diesen Satz zu Copycats gelesen:
Je länger und origineller ein Werbetext ist, desto eher genießt er den Schutz des Urheberrechts und ist damit vor Plagiaten geschützt.
Content oder Mehrwert allein schützen nicht vorm Kopieren. Aber wenn du dir Mühe mit deinen Posts machst und deine eigenen Storys dazuaddierst, dann erschaffst du etwas, das du auf keinem zweiten Account finden wirst.
Falls du selbst schon mal zur Copycat geworden bist:
Ich bin die erste, die versteht, wenn du null Ahnung hast, was du schreiben sollst. Aber bedenke: Wenn du von anderen kopierst, hilft dir das vielleicht kurzfristig. Denn Inhalte zu kopieren ist wie ein Pflaster auf einem Problem, das viel tiefer geht: Dir fällt nichts eigenes ein, du hast keinen Plan und keine Identität als Dienstleister.
Was hindert dich daran, dein eigenes Ding zu machen? Wo ist deine Persönlichkeit als Selbständiger?
Wer bei Branchenkollegen Texte kopiert, sorgt mit dafür, dass aus allen irgendwann ein Einheitsbrei wird, aus dem sich keiner mehr abhebt. Eigene Formate zu entwickeln kann man lernen – das ist gar nicht so schwer.
Was du tun kannst, wenn sich eine Copycat bei dir bedient hat:
Mach als ersten Schritt unbedingt Screenshots von dem Account und den betreffenden Inhalten und sichere sie ab.
Als nächstes kannst du die Person, die geklaut hat, natürlich anschreiben. Hilft das nicht, melde den Account – denn das Texte kopieren illegal ist, weiß man auch bei Instagram.
Rechts über jedem Post siehst du drei Punkte. Wenn du die anklickst, steht da in der Auswahl unter anderem „melden“.
Kann dann gut sein, dass Insta den Account der Copycat löscht, nachdem du deinen Fall geschildert hast.
Wenn dir auch das nicht weiterhilft und der entsprechende Inhalt nicht gelöscht wird, kannst du tatsächlich das machen, womit ich nur gedroht habe, nämlich zu einem Fachanwalt für Urheberrecht und Medienrecht gehen.
Wenn du prüfen willst, ob eine Copycat bei dir gemopst hat, kannst du deinen Text bei Google oder www.copyscape.com durchlaufen lassen.
Ich wünsche dir viel Glück!