Mangelnde SEO-Kenntnisse bei Agenturen & Co: das große Rumgedruckse
Immer wieder erlebe ich in Projekten, dass Kunden und deren Dienstleister Suchmaschinenoptimierung ignorieren oder aber SEO-Wissen vorgeben, das nicht existiert. Dieser Beitrag soll dazu anregen, SEO bewusster und offener anzugehen.
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Ich texte Websites, und folgende Anekdoten stammen so (oder leicht verfremdet) aus meinem Arbeitsjahr 2024:
#1
Ich telefoniere mit dem Chef einer Design-Agentur aus Aachen, für die ich die Webtexte schreibe. „SEO machen wir aber inhouse“, sagt er, „wir haben jemanden, der sich damit auskennt.“ – „Okay“, antworte ich, „welche Seiten hat er denn schon erstellt?“ – „Schauen Sie mal auf unserer alten Website“, meint er, „die Unterseiten xy. Da hat er ein paar Mal ‚Design‘ in den Text geschrieben, also als Keyword.“
#2
Eine andere Kundin von mir ist Fotografin aus Regensburg. Damit sie Jobs an Land zieht, ist sie darauf angewiesen, mit ihrer Website vor Ort gefunden zu werden. „Ich kann gern mit deiner Webprogrammiererin über lokale Suchmaschinenoptimierung reden“, biete ich an. „Joa…meinetwegen“, sagt die Kundin. „Du kannst ihr ja mal mailen.“ Ich verfasse also eine Mail an die Programmiererin, erhalte aber keine Antwort. „Ja die hat halt auch viel zu tun“, sagt die Fotografin. „Aber ist ja auch nicht so wichtig.“
#3
Auf der Website eines Texters lese ich: „Knackige Webtexte, die dich so zeigen, wie du wirklich bist – erhältst du von mir! Extra SEO mache ich allerdings nicht. Wenn ich über dein Thema schreibe, rankt deine Seite auf ganz natürliche Weise von selbst. Stumpf irgendwelche Keywords einfügen? Brauchst du nicht.“
…einer, der denkt, dass er’s kann.
Eine, die denkt, dass sie’s nicht braucht.
Und einer, der’s nicht kann und deshalb sagt, dass man‘s nicht braucht.
Damit sind wir bei der Gretchenfrage jeder Website-Erstellung: Wie hältst du’s mit der Suchmaschinenoptimierung?
Als Website- und SEO-Texterin habe ich manchmal das Gefühl, ich muss für SEO missionieren gehen. Eigentlich will ich niemanden belehren, jeder darf machen, was er für richtig hält.
Dann aber wieder sehe ich mir folgende Zahlen an:
90,63 % aller Websites erhalten keinen organischen Traffic über Google, was darauf hindeutet, dass sie nicht für SEO optimiert sind. (Ahrefs-Studie (2020))
Etwa 30% aller Unternehmen betreiben SEO inhouse, abhängig vom spezifischen Fachwissen der eigenen Mitarbeiter. (SEMrush-Report (2021))
61% der Marketer gaben in einer HubSpot-Studie an, dass SEO ihre größte Herausforderung darstellt. (HubSpot-Studie (2021))
Mit anderen Worten:
Websites, die doch eigentlich Kunden anziehen und den Umsatz sichern sollen, bleiben unsichtbar – einfach, weil sie nicht ranken. Und ranken tun sie nicht, weil das Bewusstsein für Suchmaschinenoptimierung fehlt. Bei Unternehmen, die ihre Website selbst erstellt haben. Aber auch auf der anderen Seite bei Agenturen oder Solo-Selbständigen, die Websites für Kunden erstellen, aber sich auch nicht mit SEO auskennen. Was die Kunden aber nicht nachprüfen können.
Wenn also die Kunden nichts über SEO wissen und deren Dienstleister auch nicht, weiß niemand nichts Genaues.
Das Vorgeben von nicht vorhandenen SEO-Kenntnissen bzw. das Abtun von SEO als „nicht so wichtig“ spiegelt eine weit verbreitete Problematik in der Branche wider, der ich im Joballtag dauernd begegne. Oft wissen Kunden nicht, wozu sie SEO überhaupt brauchen. Und wenn doch, bauen sie im Worst Case auf Website-Verantwortliche, die sich auch nicht auskennen, aber das so verkaufen.
Warum dieses So-tun-als-ob?
SEO ist komplex
SEO muss man von Grund auf lernen, und es ist ein weites Feld, das sich ständig weiterentwickelt. Viele Marketing-Experten und Agenturen scheuen sich davor und wollen sich eigentlich mehr aufs kreative Arbeiten konzentrieren. Daher vermitteln sie Larifari-SEO und wissen es aber eigentlich auch nicht so genau.
Fehlende Kontrolle durch den Kunden
Ob einem ein Design oder ein Text gefällt oder nicht, kann jeder sagen. Aber wie soll eine Fotografin, ein Lifestyle-Coach oder ein Immobilienmakler die Qualität von SEO-Kenntnissen einordnen können? Dazu braucht man Fachwissen. Und so wird eine Lücke geschaffen für weniger kompetente Unternehmen, die ihre Dienstleistungen anbieten, ohne die gewünschten Ergebnisse zu liefern.
Versteh mich nicht falsch:
Auch ich weiß längst nicht alles über SEO. Ich bin zwar Texterin, aber ich lerne immer noch dazu. SEO verändert sich dauernd. Am liebsten bilde ich mich fort mit dem Podcast von Jane von Klee, mit dem ich mich teils rückversichere zu dem, was ich schon weiß, teils aber auch Neues über SEO lerne.
Ich habe mich anfangs sehr gegen SEO gesträubt, weil ich dachte, die Technik-Aspekte sind bestimmt irre kompliziert. Deshalb verstehe ich, wenn man damit fremdelt. Aber ich könnte mittlerweile gar nicht mehr ohne. Mehr noch, ich fühle mich gegenüber meinen Kunden verantwortlich, über SEO aufzuklären, und es macht mir inzwischen super viel Spaß. SEO zu lernen ist Schweiß, der sich absolut lohnt.
Was können Web-Verantwortliche tun, wenn sie kein SEO können?
Transparenz gegenüber den Kunden
Webdesigner, Programmierer und Agenturen sind in der Verantwortung, offen und ehrlich zu kommunizieren, wenn sie keine oder nur begrenzte SEO-Kenntnisse haben. Es ist besser, von Anfang an klarzustellen, welche Leistungen sie anbieten können und wo ihre Grenzen liegen, anstatt Versprechungen zu machen, die sie nicht halten können. Das schafft Vertrauen und ermöglicht eine realistische Erwartungshaltung beim Kunden.
Lern datt!
Die logischste Schlussfolgerung, oder? SEO kann man von Grund auf lernen. Dazu gibt es viele Online-Kurse, Tutorials und und 1:1-Coachings, die einen guten Einstieg bieten. Und bitte glaub mir: Es ist kein Hexenwerk. Ich hab’s ja auch geschafft 😉.
Externe SEO-Experten hinzuziehen
Wenn inhouse keiner einen Plan von SEO hat, kann man externe SEO-Spezialisten hinzuziehen. Eine Zusammenarbeit mit Experten stellt sicher, dass die SEO-Bedürfnisse der Kunden professionell und effektiv abgedeckt werden, während sich das interne Team auf seine Kernkompetenzen konzentrieren kann.
Angebot/Leistungen überdenken
Wenn die SEO-Kenntnisse (noch) fehlen, ist es vielleicht nicht so schlau, Website-Erstellung anzubieten. Bevor ich SEO gelernt habe, habe ich mich z. B. auf kreative Konzepte, Naming, Print-Kommunikation und Social Media fokussiert. Nischen gibt’s genug.
Und wie kannst du als Kunde das SEO-Know-how überprüfen?
Referenzen und anfordern
Gute Agenturen und Texter können dir Cases präsentieren, die den Erfolg ihrer SEO-Strategien belegen. Schau außerdem nach Kundenstimmen und Referenzen, die zeigen, dass sie mit den Leistungen zufrieden waren.
Anleitungen und Erklärungen verlangen
Bitte deinen Designer, Texter oder die Agentur, die angewandten SEO-Methoden in verständlicher Sprache zu erklären. Ich nehme meine Kunden immer an die Hand und zeige ihnen Schritt für Schritt, wie ich bei SEO vorgehe, und das hat bisher noch jeder verstanden. Eine kompetenter Dienstleister kann auch komplexe Konzepte einfach vermitteln, ohne in Fachjargon zu verfallen.
Transparente Reports
Frage nach regelmäßigen und verständlichen Berichten, die den Fortschritt und die Ergebnisse der SEO-Maßnahmen zeigen. Diese Berichte sollten Kennzahlen wie Traffic, Conversion Rates, Ranking-Verbesserungen und eingesetzte Keywords enthalten.
Fazit
Kunden gewinnen kann man auf viele Arten: Weiterempfehlung, Instagram, Laufkundschaft, Imagebroschüren, LinkedIn, Plakate, Podcasts und so weiter. Aber wer eine Website erstellen lässt, braucht SEO. Das ist schlicht nötig, um im digitalen Raum sichtbar zu sein.
Wer Websites ohne echtes SEO-Know-how erstellt, verbaut seinen Kunden wertvolle Chancen.
Dabei ist das Thema nicht unüberwindbar, sondern erlernbar – für diejenigen, die bereit sind, sich wirklich damit auseinanderzusetzen. Und für alle anderen gilt: Transparent sein. Lieber zugeben, dass man Unterstützung braucht, als so zu tun, als ob. Am Ende profitieren alle. Vor allem die Kunden, die sich auf echte Expertise verlassen können😉.
Lies dazu auch gern den Beitrag von meinem Kollegen Michael Baierl. Er gibt richtig coole Tipps für pragmatisches SEO!